2-Kanal Videoprojektion, (15:51:50), 4K, Stereo Sound, 2022
Gespräch mit Benjamin Moldenhauer, für Zett Kulturmagazin Bremen, Auszug, August 2022
Die erste Assoziation, die ich beim Betrachten deiner Diplomarbeit „Daddy, May I Cum?“ hatte, war „Ah ja, Konsumkritik“. Wenn man sich die Videoinstallation aber länger anschaut, verschwindet diese Eindeutigkeit. Eine Spannung zwischen einer eindeutigen Aussage und Ebenen, die sie dann wieder verunklaren – ist dir das wichtig bei deiner Kunst?
Wenn ich Kunst produziere, geht es erst einmal darum zu gucken, was da ist. Wenn man einfach hinschreibt „Kapitalismus ist scheiße“, dann ist das einerseits richtig und andererseits falsch, denn „es war nicht alles schlecht im Kapitalismus“, wie Andreas Neumeister sagt. Ich arbeite immer vermittelt, über Technik, über Kamera. Es geht nicht direkt aus meiner Hand raus, sondern ich geh irgendwohin, filme und fotografiere das, und dann wird das irgendwie gesamplet und neu montiert. Danach kommt die Montage, und da entsteht da automatisch so ein Zittern, eine Ambivalenz. Im Falle der Bilder der Waterfront eben: Es war nicht alles schlecht im Kapitalismus. Das MacBook ist ganz geil. Dass ich hier zwischen acht Biersorten aussuchen kann, ist ganz geil. Es gibt einen Unterschied zwischen Aktivismus und künstlerischer Auseinandersetzung, der ist mir wichtig.
Man sieht in der Installation zum Beispiel auch sehr schöne Sonnenlichteinfälle durch die Fenster.
Das ist ja auch schön, und ich mag Einkaufszentren tatsächlich, auf eine bestimmte Art. Ich kann das genießen, und das Angenehme an diesem Ort ist, dass ich da nicht allein bin, mich aber trotzdem mit nichts auseinandersetzen muss, wenn ich nicht will. Wir haben alle so Momente, Enten füttern, Tauben vergiften im Park.
Unterläuft das Zittern zwischen „Ich lehne das ab“ und „Ich kann das genießen“ zwangsläufig den Authentizitätseindruck – also das Gefühl bei Betrachterin und Betrachter, das ist jetzt eins zu eins?
Authentizität funktioniert ja eh nicht. Wie soll ich mich authentisch zu einem Shopping Center ausdrücken?
Naja, wenn man es sich einfach macht und sagt, „Ich lehne das ab“, dann wäre die Ablehnung das, was ich für einen authentischen Ausdruck der Künstlerin halte.
Wichtig ist, zu sehen, dass Entfremdung auch etwas Tröstliches sein kann. Und der Trost geht in der Ablehnung eben nicht auf. Die erste Idee für die Diplomarbeit war, einen Film über Arbeit machen, und dafür wollte ich Lieferfahrer filmen. Das habe ich dann auch gemacht, aber gemerkt, dass die Bilder nicht gut aussehen. Ich brauche aber auch schöne Bilder. So bin ich bei den Sonneneinlichteinfällen in der Waterfront gelandet. Daraus hat sich dann die Idee entwickelt zu schauen, warum ich diese Shopping Center so gerne mag. Die ziehen ja nicht nur mich an. Warum sieht das so aus, was haben die sich zum Beispiel dabei gedacht, diesen grotesken Plastikbaum in die Mitte ihres Food Courts zu stellen?
Du bringst Text ins Bild, der immer wieder Motive wie Wünsche, Aufschub und eben Entfremdung aufruft – über den Außenansichten von Shoppingcentern liegt der Satz „There is a hunger in me that is never satisfied“ oder der Satz „I was not allowed to come until I became a good girl“ über einer leeren Ecke aus einem Shoppingcenter, in der Werbung für sich selber zu sehen ist und einer geschlossenen Fast Food Filiale. Sind das Zitate oder ist das von dir?
Die Texte sind von mir. Die Arbeitsthese zum Diplomfilm war „Capitalism feels like orgasm denial“. „Orgasm denial“ ist eine Praktik aus dem Fetischbereich. Einer überträgt dem anderen die Macht, wann er oder sie kommen darf. Meist die Frau dem Mann. Und dieser ganze BDSM-Bereich, regelhafte Sexualpraktiken allgemein, haben ja wahnsinnig viel mit Entfremdung zu tun.
Aber funktioniert das als Metapher für Begehren, Aufschub und Entfremdung durch Konsum? Sie oder er kommen ja am Schluss...
Nicht unbedingt. Und auch wenn, bleibt ja die Frage, ob der Orgasmus das Wichtigste ist, oder ob es um das ganze Drumherum geht. Jedenfalls ist die Idee, dass Kapitalismus Versagung bedeutet, auch wenn er Wunscherfüllung verspricht.
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